Putzmunter: Tchibo schickt jetzt auch kleine Mädchen unter das Joch

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So hatten wir das aber nicht gemeint, Tchibo, dass Ihr nicht immer nur Frauen putzen lassen sollt. Wir fordern ja nicht mal – verrückte Idee! – alleinputzende Männer abzubilden.

Auf meine frühere Beschwerde über Eure anachronistische Hausfrauenwerbung habt Ihr irgendwas mit Zielgruppe geantwortet – immerhin, denn meine Kritik an der darauffolgenden Kampagne habt Ihr ignoriert.

O.k, Ihr wollt Geschäfte machen und habt herausgefunden, dass die Zielgruppe „Frauen“, eine amorphe Masse mit nach gesellschaftlicher Übereinkunft als „weiblich“ einzuordnenden Merkmalen, den Anblick von putzenden Frauen ganz toll findet. Das bedeutet zwar, dass ich, ein weiblicher heterosexueller Mensch, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, demnach keine Frau bin, aber das ist o.k., denn Ihr habt keine Definitionsmacht über mich und meinen Kaffee kaufe ich auch nicht bei Euch.

Aber was zum Henker haben kleine Mädchen in Eurer Putzwerbung zu suchen? Davon bleibt mir dermaßen die Spucke weg, dass ich nicht mal mehr „sexistische Kackscheiße“ sagen kann. Deshalb habe ich heute diesen Brief geschrieben:

Sehr geehrte Tchibo-Werbe-Expertinnen und -Experten,

es ist ärgerlich genug, dass Sie in Ihrer Hausputz-Werbung penetrant das frauenfeindliche Rollenklischee des Hausweibchens propagieren.

Nun jedoch haben Sie eine Grenze überschritten. Jetzt greifen Sie nach den kleinen Mädchen, drücken ihnen – nicht ihren Brüdern – wie selbstverständlich Fenster- und Bodenwischer in die Hand und prägen ihnen frühestmöglich ein, wo ihr Platz ist. Rechtzeitig bevor sie sich der Haushaltsfronarbeit widersetzen, zeigen Sie ihnen, wo der Besen hängt und wie viel Spaß es weiblichen Kindern gefälligst zu machen hat, mit Mama – nicht Papa – der ödesten Tätigkeit der Welt nachzugehen.

Bevor die Mädchen Fragen stellen wie „Warum müssen  Jungs nicht putzen? Warum darf Papa die hohe Punktelastizität und optimale Wärmeregulierung der 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze testen, während wir ihm hinterherwischen? Warum muss ich den Dreck wegmachen, den meine Brüder von ihren spannenden Jungs-Aktivitäten mitbringen?“

Was wünschen Sie sich für Ihre Tochter, Nichte, Enkelin? Mit welcher Hypothek gesellschaftlicher Erwartungshaltungen und Beschränkungen soll sie aufwachsen? Was antworten Sie ihr auf ihre Fragen? Irgendwas mit Marktforschung und Zielgruppen? Dass Jungs und Männer in Wirklichkeit genau so viel putzen müssen, nur im Geheimen? (Warum?) Dass auch Mädchen Abenteuer erleben und nach den Sternen greifen dürfen – wenn sie mit dem Putzen fertig sind?

Sie. Verstehen. Es. Einfach. Nicht.

Und darum: #ichkaufdasnicht.

Mit traurigem Gruß

Frau L. aus F.

Und bevor das Derailing wieder losgeht: Ja, es gibt Krieg auf der Welt und echte Zwangsarbeit und in Afrika verhungern Kinder. Und deshalb müssen wir Kinder stark machen und sie beim Großwerden vor Gehirnwäsche beschützen.

Damit sie die Welt retten können.

Damit auch und gerade weibliche Menschen nicht im Entferntesten auf die Idee kommen, dass sie erst dann wirklich mit Welt-Retten loslegen können, wenn die Waschmaschine fertig und die Wäsche aufgehängt und gebügelt ist, wenn der Müll in den Müllsortierer sortiert ist, wenn Schuhe und Stiefel im Schuhregal stecken, wenn aufgeräumt und der Ordnungsschrank ordentlich geordnet ist, der Teppich aufgesaugt, das Klo und die Kacheln dampfgereinigt und die Fugen fugengebürstet und mit dem Fugenreinigungsstift fugengereinigt sind, wenn die Fenster fenstergewischt sind (Abziehen nicht vergessen, Streifengefahr!) und wenn Staub mit dem putzigen (put-zig – haha!) Staubdelphin von Bildschirm- und anderen Oberflächen gewischt ist und – um Himmels willen nicht vergessen!!! – die Armaturen mit dem Mikrofaser-Armaturen-Reinigungstuch poliert sind. Wanne und Becken wollen auch geputzt sein, bevor frau aus dem Haus geht (Achtung, bitte prüfen: ist nach dem Putzen die Emaille-Oberfläche  der Wanne noch intakt? Der Emaillestift ist jederzeit griffbereit zu halten.). Außerdem muss das Geschirr gespült und die Fliesen müssen gebürstet werden. Und – was haben wir Euch beigebracht? Wer macht das alles? Genau. Denn der Mann muss sich auf der 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze von seiner einzig ganz doll wichtigen harten Männerarbeit erholen und seine Kräfte für die wirklich wichtigen Dinge schonen, statt sie durch niedere Hausarbeit zu binden.

Wenn er sich dann gründlich ausgeruht hat auf der 7-Tonnenkern-Feder-Matzda, geht er schon mal vor und rettet die Welt. Macht ja sonst wieder keiner. Mit dem Haushalt werden die Frauen ja nie fertig, irgendwas finden sie immer, Tchibo sei Dank.

Damit diese Perle von Werbekampagne nicht dem Vergessen anheimfällt, habe ich ein paar Bilder zur allgemeinen Erbauung gespeichert:

Putzmunter Kopf

Den Lohn dank Tchibo-Wäschklammer immer vor Augen: sehnsüchtig wartet der Liebste darauf, dass sich seine Frau nach getaner Arbeit zu ihm auf die 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze mit antibakterieller Ausrüstung, hoher Punktelastizität und optimaler Wärmeregulierung legt. Dumm nur, dass Hausarbeit niemals endet.

Fensterwischer

Um Mama zu helfen, lässt die Kleine strahlend alles stehen und liegen.

Basteln und Spielen

Während Töchterchen die Fenster putzt, geht Mama ein bisschen basteln und spielen.

Wettlauf mit Bodenwischer

Munter geht’s weiter. Wozu braucht frau Sport, wenn sie in spielerischem Wettstreit mit der Tochter einer pädagogisch wertvollen Tätigkeit nachgehen kann? So bekommt sie Bewegung, das Mädchen ist von der Straße und lernt noch was dabei.

staubsaugen ist lustig

Quizfrage: Was ist schlimmer als sexistische Kackscheiße? Antwort: Lustige sexistische Kackscheiße. Haha, Tchibo-Photoshopper, Ihr Schelme! Die fröhliche Hausfrau saugt  Teppich, Möbel, Bildrand und anschließend sich selbst auf! Wo ist der Mann, wenn man ihn mal braucht? Oder ist er auf seiner 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze eingeschlafen und träumt das alles nur?

neben die tonne

Achtung, Fake! Natürlich ist dieser Hausputzroboter nicht wirklich vergriffen. Vielmehr musste er mit einer Rückrufaktion aus dem Verkehr gezogen werden, denn bereits beim Fotoshooting für diese Kampagne offenbarte das Gerät schwerste Fehlfunktionen der zentralen Steuerungseinheit. Die Entwickler hatten das Ding zu dämlich programmiert, um einen Treteimer richtig zu bedienen, so dass es einfach nur daneben saß und das Papier auf den geschlossenen Deckel warf. Jetzt liegt alles auf dem Boden. Das müssen wir aber noch üben!

Lieblingsplatz

Mal die Seele baumeln lassen. Schöner als die beste 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze ist das lauschige Lieblingsplätzchen unter der Wäscheklammer-Girlande in der Waschküche. Frei nach Loriot „einfach nur da sitzen.“ (Da hätten sie doch jetzt zum Beispiel gut den Mann hinsetzen können, pff.)

teppichreiniger

Wenn es neben dem Wäschekorb zu langweilig geworden ist, nimmt die Hausfrau auf der gemütlichen Couch-Armlehne Platz und überwacht aus sicherer Höhe, wie die fleißige Teppichreinigerflasche mit Bürstenaufsatz von Dr. Beckmann ihre Arbeit erledigt. Augenzwinkernde Anklänge an Goethes „Zauberlehrling“ sind nicht zu übersehen. Entweder liegen wir immer noch träumend auf der 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze oder die Tchibo-Webeexperten haben allzu gierig an der Putzmittelflasche geschnüffelt.

armaturen

Aber jetzt endlich mal was wirklich Nützliches und für mich die Krönung: die antibakteriellen Mikrofaser-Armaturen-Reinigungstücher zur sanften Massage von … Armaturen. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt. Frau gönnt sich ja sonst nichts. Nur das Schäferstündchen auf der – na, wer kann es inzwischen auswendig sagen, ohne nachzugucken? Leider ist der Mann inzwischen eingeschlafen. Oder über alle Berge, um die Welt zu retten.

papi voller vorfreude

So, Ende Gelände. Und wer es bis hierhin geschafft hat, kriegt zur Belohnung ein Katzenbild.

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