Dampf ablassen zum Sonderpreis

Jetzt kommen auch die Letzten aus ihren Löchern gekrochen.

Sie wittern schon seit einer ganzen Weile Morgenluft, und bald werden sich auch die letzten Primitiven herauswagen und pöbeln.

Jetzt haben WIR das sagen [sic!]!

Jetzt werden andere Seiten [sic!] aufgesogen [sic!].

Ihr seit [sic!] auch bald an der Reihe.

Ihr werdet schon sehen. Ihr könnt demnächst alles [sic!] einpacken.

Gerne in öffentlichen Verkehrsmitteln, gerne bei kleinen Zusammenstößen im Alltag. Und nach meiner Beobachtung am allerliebsten gegenüber „ausländisch aussehenden“ Frauen.

Bei Frauen sind die Primitiven immer mutiger, auch in anderen Zusammenhängen, auch bei deutsch aussehenden Frauen – Kassiererinnen, Kellnerinnen, Verkäuferinnen sind die Lieblingsbeute von Primitiven.

Klar nehmen sie auch mal mit einem Mann vorlieb, Hauptsache die Person ist nicht allzu wehrhaft und eloquent. Oder sie tun sich zusammen gegen Einen.

Dampf ablassen zum Sonderpreis.

Wehrt sich eine „ausländisch aussehende“ Person wider Erwarten (oder wie erhofft?) schlagfertig, wirft man ihr schlechtes Benehmen vor – und stellt ihnen die baldige Ausweisung in Aussicht.

Oh, ein Satz mit 4 x aus. Nicht auszuhalten.

Doch, wir halten das aus, denn aus ist es erst, wenn wir uns in Löcher verkriechen.

Das wird ein heißer Herbst. Zieht Euch warm an!

Putzmunter: Tchibo schickt jetzt auch kleine Mädchen unter das Joch

Bild

So hatten wir das aber nicht gemeint, Tchibo, dass Ihr nicht immer nur Frauen putzen lassen sollt. Wir fordern ja nicht mal – verrückte Idee! – alleinputzende Männer abzubilden.

Auf meine frühere Beschwerde über Eure anachronistische Hausfrauenwerbung habt Ihr irgendwas mit Zielgruppe geantwortet – immerhin, denn meine Kritik an der darauffolgenden Kampagne habt Ihr ignoriert.

O.k, Ihr wollt Geschäfte machen und habt herausgefunden, dass die Zielgruppe „Frauen“, eine amorphe Masse mit nach gesellschaftlicher Übereinkunft als „weiblich“ einzuordnenden Merkmalen, den Anblick von putzenden Frauen ganz toll findet. Das bedeutet zwar, dass ich, ein weiblicher heterosexueller Mensch, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, demnach keine Frau bin, aber das ist o.k., denn Ihr habt keine Definitionsmacht über mich und meinen Kaffee kaufe ich auch nicht bei Euch.

Aber was zum Henker haben kleine Mädchen in Eurer Putzwerbung zu suchen? Davon bleibt mir dermaßen die Spucke weg, dass ich nicht mal mehr „sexistische Kackscheiße“ sagen kann. Deshalb habe ich heute diesen Brief geschrieben:

Sehr geehrte Tchibo-Werbe-Expertinnen und -Experten,

es ist ärgerlich genug, dass Sie in Ihrer Hausputz-Werbung penetrant das frauenfeindliche Rollenklischee des Hausweibchens propagieren.

Nun jedoch haben Sie eine Grenze überschritten. Jetzt greifen Sie nach den kleinen Mädchen, drücken ihnen – nicht ihren Brüdern – wie selbstverständlich Fenster- und Bodenwischer in die Hand und prägen ihnen frühestmöglich ein, wo ihr Platz ist. Rechtzeitig bevor sie sich der Haushaltsfronarbeit widersetzen, zeigen Sie ihnen, wo der Besen hängt und wie viel Spaß es weiblichen Kindern gefälligst zu machen hat, mit Mama – nicht Papa – der ödesten Tätigkeit der Welt nachzugehen.

Bevor die Mädchen Fragen stellen wie „Warum müssen  Jungs nicht putzen? Warum darf Papa die hohe Punktelastizität und optimale Wärmeregulierung der 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze testen, während wir ihm hinterherwischen? Warum muss ich den Dreck wegmachen, den meine Brüder von ihren spannenden Jungs-Aktivitäten mitbringen?“

Was wünschen Sie sich für Ihre Tochter, Nichte, Enkelin? Mit welcher Hypothek gesellschaftlicher Erwartungshaltungen und Beschränkungen soll sie aufwachsen? Was antworten Sie ihr auf ihre Fragen? Irgendwas mit Marktforschung und Zielgruppen? Dass Jungs und Männer in Wirklichkeit genau so viel putzen müssen, nur im Geheimen? (Warum?) Dass auch Mädchen Abenteuer erleben und nach den Sternen greifen dürfen – wenn sie mit dem Putzen fertig sind?

Sie. Verstehen. Es. Einfach. Nicht.

Und darum: #ichkaufdasnicht.

Mit traurigem Gruß

Frau L. aus F.

Und bevor das Derailing wieder losgeht: Ja, es gibt Krieg auf der Welt und echte Zwangsarbeit und in Afrika verhungern Kinder. Und deshalb müssen wir Kinder stark machen und sie beim Großwerden vor Gehirnwäsche beschützen.

Damit sie die Welt retten können.

Damit auch und gerade weibliche Menschen nicht im Entferntesten auf die Idee kommen, dass sie erst dann wirklich mit Welt-Retten loslegen können, wenn die Waschmaschine fertig und die Wäsche aufgehängt und gebügelt ist, wenn der Müll in den Müllsortierer sortiert ist, wenn Schuhe und Stiefel im Schuhregal stecken, wenn aufgeräumt und der Ordnungsschrank ordentlich geordnet ist, der Teppich aufgesaugt, das Klo und die Kacheln dampfgereinigt und die Fugen fugengebürstet und mit dem Fugenreinigungsstift fugengereinigt sind, wenn die Fenster fenstergewischt sind (Abziehen nicht vergessen, Streifengefahr!) und wenn Staub mit dem putzigen (put-zig – haha!) Staubdelphin von Bildschirm- und anderen Oberflächen gewischt ist und – um Himmels willen nicht vergessen!!! – die Armaturen mit dem Mikrofaser-Armaturen-Reinigungstuch poliert sind. Wanne und Becken wollen auch geputzt sein, bevor frau aus dem Haus geht (Achtung, bitte prüfen: ist nach dem Putzen die Emaille-Oberfläche  der Wanne noch intakt? Der Emaillestift ist jederzeit griffbereit zu halten.). Außerdem muss das Geschirr gespült und die Fliesen müssen gebürstet werden. Und – was haben wir Euch beigebracht? Wer macht das alles? Genau. Denn der Mann muss sich auf der 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze von seiner einzig ganz doll wichtigen harten Männerarbeit erholen und seine Kräfte für die wirklich wichtigen Dinge schonen, statt sie durch niedere Hausarbeit zu binden.

Wenn er sich dann gründlich ausgeruht hat auf der 7-Tonnenkern-Feder-Matzda, geht er schon mal vor und rettet die Welt. Macht ja sonst wieder keiner. Mit dem Haushalt werden die Frauen ja nie fertig, irgendwas finden sie immer, Tchibo sei Dank.

Damit diese Perle von Werbekampagne nicht dem Vergessen anheimfällt, habe ich ein paar Bilder zur allgemeinen Erbauung gespeichert:

Putzmunter Kopf

Den Lohn dank Tchibo-Wäschklammer immer vor Augen: sehnsüchtig wartet der Liebste darauf, dass sich seine Frau nach getaner Arbeit zu ihm auf die 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze mit antibakterieller Ausrüstung, hoher Punktelastizität und optimaler Wärmeregulierung legt. Dumm nur, dass Hausarbeit niemals endet.

Fensterwischer

Um Mama zu helfen, lässt die Kleine strahlend alles stehen und liegen.

Basteln und Spielen

Während Töchterchen die Fenster putzt, geht Mama ein bisschen basteln und spielen.

Wettlauf mit Bodenwischer

Munter geht’s weiter. Wozu braucht frau Sport, wenn sie in spielerischem Wettstreit mit der Tochter einer pädagogisch wertvollen Tätigkeit nachgehen kann? So bekommt sie Bewegung, das Mädchen ist von der Straße und lernt noch was dabei.

staubsaugen ist lustig

Quizfrage: Was ist schlimmer als sexistische Kackscheiße? Antwort: Lustige sexistische Kackscheiße. Haha, Tchibo-Photoshopper, Ihr Schelme! Die fröhliche Hausfrau saugt  Teppich, Möbel, Bildrand und anschließend sich selbst auf! Wo ist der Mann, wenn man ihn mal braucht? Oder ist er auf seiner 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze eingeschlafen und träumt das alles nur?

neben die tonne

Achtung, Fake! Natürlich ist dieser Hausputzroboter nicht wirklich vergriffen. Vielmehr musste er mit einer Rückrufaktion aus dem Verkehr gezogen werden, denn bereits beim Fotoshooting für diese Kampagne offenbarte das Gerät schwerste Fehlfunktionen der zentralen Steuerungseinheit. Die Entwickler hatten das Ding zu dämlich programmiert, um einen Treteimer richtig zu bedienen, so dass es einfach nur daneben saß und das Papier auf den geschlossenen Deckel warf. Jetzt liegt alles auf dem Boden. Das müssen wir aber noch üben!

Lieblingsplatz

Mal die Seele baumeln lassen. Schöner als die beste 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze ist das lauschige Lieblingsplätzchen unter der Wäscheklammer-Girlande in der Waschküche. Frei nach Loriot „einfach nur da sitzen.“ (Da hätten sie doch jetzt zum Beispiel gut den Mann hinsetzen können, pff.)

teppichreiniger

Wenn es neben dem Wäschekorb zu langweilig geworden ist, nimmt die Hausfrau auf der gemütlichen Couch-Armlehne Platz und überwacht aus sicherer Höhe, wie die fleißige Teppichreinigerflasche mit Bürstenaufsatz von Dr. Beckmann ihre Arbeit erledigt. Augenzwinkernde Anklänge an Goethes „Zauberlehrling“ sind nicht zu übersehen. Entweder liegen wir immer noch träumend auf der 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze oder die Tchibo-Webeexperten haben allzu gierig an der Putzmittelflasche geschnüffelt.

armaturen

Aber jetzt endlich mal was wirklich Nützliches und für mich die Krönung: die antibakteriellen Mikrofaser-Armaturen-Reinigungstücher zur sanften Massage von … Armaturen. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt. Frau gönnt sich ja sonst nichts. Nur das Schäferstündchen auf der – na, wer kann es inzwischen auswendig sagen, ohne nachzugucken? Leider ist der Mann inzwischen eingeschlafen. Oder über alle Berge, um die Welt zu retten.

papi voller vorfreude

So, Ende Gelände. Und wer es bis hierhin geschafft hat, kriegt zur Belohnung ein Katzenbild.

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Anderswelten, Seefrauengarn und andere Hirngespinste

Anderswelt. Welt der Märchen und Mythen, schamanischen Reisen und Träume. Allein im Klang des Wortes schwingt Archaisches mit. Unsere ureigene Traumzeit ist dort verortet, und wer auch nur eine Spur von Fantasie oder Spiritualität mit sich herumträgt, den überkommt manchmal der Anflug einer Ahnung, vielleicht auch von Sehnsucht, und die Frage, ob da nicht doch noch ein Weg hinführt.

Zum Schutz gegen unbefugtes Betreten ist die Anderswelt mit Portalen versehen, und weitere stehen, liegen, schwimmen und schweben darin für den Übergang in noch tiefere Unterebenen herum (oft irgendwas mit Wasser): Flüsse, über die man nur mit Hilfe eines Fährmanns gelangt (sofern der nicht als Schwellenhüter die Überfahrt verhindert); Anders-Inseln, zuweilen mit Zauberinnen, inmitten oder unter Seen oder irgendwo jenseits des Meers im Westen, wo die Elben hinreisen; der Brunnen, der zu Frau Holle – einer Zauberin, wenn nicht gar einer Göttin – in die untere Welt führt; in die Tiefe geht’s auch durch Alices Wunderland-Kaninchenloch; und wer kennt nicht die unterirdischen Zwergenwelten. In beiden Unterwelten steht die Zeit still; in letzterer vergisst man sogar seine Herkunft, wenn man dort etwas isst und damit die Verbindung besiegelt. Versteckt sich im Wort „vergessen“ vielleicht ein bisschen von dieser Bedeutung?

Das Portal-Konzept ist eines der beliebtesten Muster in SF-Fantasy-Anderswelten, und wer weiß? Vielleicht haben die Wasser-Portale der mythologischen Anderswelten auch die Optik des „Stargate“ inspiriert?

Meine liebsten Portale erfahren in der Geschichte von Myst ihre verdiente Würdigung. Ist das nicht ein faszinierendes Bild für das, was Bücher sein können?

Bisweilen kommen so viele Unter-Ebenen hinzu, dass ab einem gewissen Punkt der Überblick verloren geht, ob wir jetzt gerade in der Hauptgeschichte, also der fiktiven Realität sind oder in einem Inception-Traum/Traum im Traum, einer eingepflanzten Total-Recall-Erinnerung oder mit Matrix-LAN-Kabel im Nacken in einer schleimgefüllten Wanne vor uns hindämmern.

Seit der Kinderzeit spiele ich gerne mit Gedanken-Anderswelten herum. Die erste selbstgemachte Geschichte, an die ich mich bewusst erinnere, diente als Einschlafhilfe. Weil die Gedanken an die Schule mein armes Hirn zermarterten, setzte ich ihnen eine wilde Story entgegen, die durch eine Mecki-Geschichte in der „Hörzu“ inspiriert war, irgendwas mit fliegenden Dämonen. *facepalm*

(Kurz gegoogelt: Oh! Mecki-Verzeichnisse! Im In-ter-net! Als nächstes die Aufnahme in die Weltkulturerbe-Liste der Unesco?)

Auch heute habe ich ein Setting, das fast immer hilft. (Nein, ich verrate nicht, was das ist. Und nein, es ist nichts Aufregendes oder gar Erotisches. Ich will schließlich einschlafen.)

Mein absoluter Liebling ist aber das spontane Kopfkino am hellichten Tag, also wenn irgendein Auslöser eine Geschichte ins Rollen bringt und ohne mein Zutun eine Kettenreaktion von Szenen freisetzt. Ein Selbstläufer, in dem sich in einem fröhlichen Crossover ein Detail zum anderen fügt und alles auf eine verdrehte Weise zusammenpasst. Gerne feile ich später daran herum und untermauere es mit Foto- und anderen Beweisen. Oder umgekehrt – manchmal bildet eine Kombination von Fotos den Grundstein für eine Story.

Aus dem selben Garn ist die wunderbare Bielefeld-Verschwörung gesponnen. Als ich das erste Mal darauf stieß, erlebte ich fast so etwas wie eine Epiphanie und wusste: ich bin nicht allein. Wir sind Legion, denn wir sind viele. (Oh, schon wieder was mit Dämonen.)

Und die Portale sind allgegenwärtig.

Die wahren Abenteuer sind im Kopf, in meinem Kopf,
und sind sie nicht in meinem Kopf, dann sind sie nirgendwo.

Die wahren Abenteuer sind im Kopf, in deinem Kopf,
und sind sie nicht in deinem Kopf, dann suche sie.

Die Wirklichkeit, die Wirklichkeit trägt wirklich ein
Forellenkleid und dreht sich stumm,
und dreht sich stumm nach anderen Wirklichkeiten um.

Andre Heller

Noch immer keine Antwort von Tchibo oder wie ich mit einer Beschwerde die Welt veränderte. Nicht.

Tchibo hat noch immer nicht auf meine E-Mail reagiert. Das ist ungewöhnlich. Bis jetzt hatte ich spätestens nach vier Arbeitstagen eine Antwort.

Ignorieren sie meine Beschwerde gar? Denken sie „Ach, schon wieder diese Emanze, die hat wohl keinen Mann abgekriegt und auch sonst keine Probleme im Leben zu viel Zeit. Get a Life. Einfach gar nicht ignorieren. Oder so.“ (Klickt auf „Löschen“, während ein süffisantes Grinsen seine Lippen kräuselt.)

Oder wandert das Papier jetzt von Schreibtisch zu Schreibtisch, weil sich niemand die Finger oder die Zunge daran verbrennen will?

Brauchen sie vielleicht deshalb so lange, weil das Schreiben an die Image-Beauftragten weitergereicht wurde, die jetzt mit Angstschweiß auf der Stirn darüber brüten? Ihr Bürostuhl ist zum Schleudersitz geworden, denn Ärger droht in jedem Fall – egal ob sie mit Kundenservicesprechblasen (Bla Werbung nicht gefallen bla verletzte Gefühle blabla so wollten wir das nicht kommunizieren bla bla) oder mit einem selbstgefälligen Kontra („Zu fein für den Haushalt aber keine Ahnung vom richtigen Leben da draußen“) – oder gar nicht antworten.

Schreibt man das Falsche zur falschen Zeit, droht womöglich – dem Web 2.0 sei Dank – ein Shitstorm im Latte-Glas. Die lüsterne FeministInnen-Meute zerrt bereits knurrend und kläffend mit sabbernden Lefzen an ihren Ketten.

Also kommt das Schreiben als Tischvorlage in ein eilig einberufenes Krisen-Meeting und erschüttert die scheinbar so heile Welt der selbstzufriedenen Tchibo-Werbefuzzis in ihren Grundfesten. Am Ende rollen Köpfe wie Tchibo-Trocknerbälle. Die komplette Loser-Crew wird ersetzt durch ein dynamisches, progressives Team, bestehend aus mindestens 50 %  – was sage ich – 75 % Frauen. Frauen, denen die Hausarbeit bis oben steht. Frauen, die nie die Ungerechtigkeit verwunden haben, dass sie als Mädchen mehr helfen mussten als ihre Brüder (die Jungs durften nach dem Essen vom Tisch aufstehen und raus, nachdem sie bestenfalls ein paar Alibi-Einzelteile irgendwo in der Küche abgestellt hatten). Die es satt haben, hinter ihrem Ehegesponst herzuräumen. Die nach einem anstrengenden Arbeitstag einfach nur Feierabend haben und keine weitere Schicht ans Bein gebunden bekommen möchten.

Und dann macht Tchibo eine 180-Grad-Wende und wirbt fortan mit lächelnden, auf Knien nacktputzenden Männern (Hurra – da ist noch ein Fleck!) in adretten Tchibo-Boxershorts, während Frauen sich derweil mit hochgelegten Füßen einen [hier ein milchaltiges Cafissimo-Produkt einsetzen] zuführen und dabei mit Kopfhörern auf den Ohren die neueste, ganz auf Frauen zugeschnittene Tchibo-Werbung für Unterhaltungselektronik begutachten.

Das kommt so gut an, dass andere Firmen nachziehen. Männer entdecken ihre wahre Natur und befreien sich endlich von dem zermürbenden Existenzkampf da draußen, einer der Hauptgründe für ihre höhere Sterblichkeit. Schließlich ist Hausarbeit Chefsache und viel zu wichtig, um sie den Frauen zu überlassen, und auch der ach so männliche Bewegungsdrang findet endlich sein Ventil.

Utopia ist zum Greifen nah! Oh …

Immer noch knietief in der sexistischen Kackscheiße oder Tchibo kann’s nicht lassen

Die Vorgeschichte: „Verdammt nah an der sexistischen Kackscheiße“ 

Sie haben es wieder getan. Das Jahr 2013 fängt gut an mit der Aktion „Sauber wie von selbst“ mit dem Bild einer – Überraschung! – Frau, die, halb liegend auf einer Putzfläche an ebendieser entlang lächelt, um auch noch letzte Unebenheiten wegzuwienern: Hey, da ist noch ein Fleck!

Ich konnte nicht umhin, erneut eine Direktantwort auf den Newsletter zu senden:

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch im Jahr 2013 feiern bei Ihnen die 50er Jahre offenbar fröhliche Urständ‘. Im Tchibo-Universum 2013 sind für die Hausarbeit nach wie vor nur Frauen zuständig. Macht nix, das bisschen Haushalt erledigt sich ja auch mit den tollen Tchibo-Helfern wie von selbst. Nicht.

Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie – bei Ihrer Reichweite – mit dieser Gehirnwäsche anrichten? Sie zementieren ohne Rücksicht auf Verluste ein antiquiertes Rollenklischee und sabotieren die an Sysiphusarbeit grenzenden Bemühungen fortschrittlicherer Köpfe, das Konzept der partnerschaftlichen Hausarbeit zu vermitteln. Und das nur, weil Ihre Werbeexperten das so entschieden haben.

Frau Petra Triepels von meinem Tchibo Kundenservice schrieb mir im August 2012, dass es „selbstverständlich nicht unsere Absicht“ sei, „durch die Bewerbung unserer Artikel zu kommunizieren, dass“ derartige Tätigkeiten „alleinige Aufgabe der Frauen“ sind.

Was bitte kommunizieren Sie denn dann? Habe ich vielleicht etwas an den Augen?

Etwas mehr Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein in Sachen Genderkompetenz würde einem Konzern wie Ihnen gut zu Gesicht stehen.

Mit freundlichen Grüßen

Auf die Antwort dürfen wir gespannt sein. Stay tuned!

Update 12. Januar 2013: Die Beschwerde ist für Tchibo offenbar irrelevant und keiner Antwort würdig. Vielleicht reißt eine Flut ähnlicher Feedbacks sie aus ihrem patriarchalen Dornröschenschlaf?

Kontaktformular: http://www.tchibo.de/Kontakt-zu-Tchibo-c400000156.html

E-Mail-Adresse für Fragen, Anregungen oder Beschwerden: service@tchibo.de

Telefon/Fax:

Kundenservice (bei Fragen zu unseren Produkten):
01805 – 38 33 38 (Mo-So: 08:00 – 22:00 Uhr)
(0,14 €/Min. a.d. Festnetz; max 0,42€/Min. a.d. Mobilfunk)

Ihr Fax senden Sie bitte an:
01805 – 85 08
(0,14 €/Min. a.d. Festnetz; max 0,42€/Min. a.d. Mobilfunk)

Post:

Senden Sie Ihre Fragen, Anregungen, Beschwerden bitte an folgende Adresse:
Tchibo Bestellservice
Postfach 107820
28078 Bremen

Mit „Aufräumen in der Tchibo-Welt“ befasst sich auch Ingrid @incredibleink treffend in ihrem Blog Und der Rest war Schweigen. Und findet das genau wie ich zum Aus-der-Haut-fahren.

Der Link wird irgendwann zu einer anderen aktuellen Tchibo-Aktion führen, deshalb hier das Bild:

Tchibo Januar snip 2013

Verdammt nah an der sexistischen Kackscheiße

Es gibt zwar wesentlich schlimmere sexistische Werbung als die von Tchibo, aber wegen ihrer großen Reichweite ist diese immer ganz besonders ärgerlich. Sei es, dass es bei Kinderkram-Werbung (nur) die Jungs sind, die Einrad fahren und Abenteuer erleben, die Mädchen hingegen sich brav für ihren Karaoke- oder Tanz-Auftritt ausstaffieren – in rosa, versteht sich. Oder dass (nur) Mutti und Töchterlein Weihnachtsplätzchen backen und Papi und Sohnemann (nur) begehrlich schnuppernd hinzukommen.

Zur Zeit läuft die Aktion „Ordnung & Pflege für meine Lieblingsstücke“, die – wenn schon keinen Shitstorm – zumindest ein klitzekleines Shitstörmchen verdient. Da nähen und sticken und bügeln und flicken  – natürlich – Frauen. Und natürlich machen sie die komplette Wäsche. Und saugen Staub. Und kümmern sich um Ordnung im Kleiderschrank.  Zugegeben, die Designs sind nicht auf die Zielgruppe „Kerle“ ausgerichtet. Dass viele Kerle die vielleicht trotzdem schön finden würden, wenn sie nicht – spätestens von Tchibo – beigebracht bekämen, dass romantische Blümchenmuster Weiberkram sind, lasse ich mal außen vor.

Doch diese pusselnden Heimchen reizten mich zu einer spontanen Direktantwort auf den Newsletter:

Sind es im Tchibo-Universum immer nur Frauen, die Waschen, Bügeln und Staubsaugen? Wir haben 2012!

Antwort:

Sehr geehrte Tchibo Kundin,
sehr geehrter Tchibo Kunde,

wir bedanken uns für Ihre Mitteilung und Ihr Interesse an unseren Artikeln.

Wir bedauern, dass Sie die Bewerbung unserer Phase „Aus Liebe zur Kleidung“ nicht anspricht.

Für die Präsentation unserer Haushaltsartikel haben unsere Werbeexperten sich entschieden, eine moderne Frau für die Vermarktung dieser Phase auszuwählen. Gerne erläutern wir Ihnen kurz die Gründe für diese Entscheidung:

In der Vergangenheit haben wir ähnliche Verkaufphasen auch mit Männern beworben – leider mit wenig Erfolg. Daraus haben wir gelernt und unsere Werbung nun wieder an unserer Zielgruppe, die vorwiegend aus Frauen besteht, ausgerichtet.

Es ist selbstverständlich nicht unsere Absicht durch die Bewerbung unserer Artikel zu kommunizieren, dass Nähen und Kleiderpflege alleinige Aufgabe der Frauen sei oder sich das Interesse von Frauen auf diese Bereiche beschränkt.

Bei weiteren Fragen sind wir gerne für Sie da.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Triepels
Ihr Tchibo Kundenservice

Ach so, es soll gar nicht so aussehen, als sei Nähen und Kleiderpflege (und nicht nur das, sondern auch Staubsaugen und Raumpflege, Tchibo!) alleinige Aufgabe der Frauen? Warum lasst Ihr es dann so aussehen?

Gewiss freut sich Tchibo über weitere Feedbacks. Kontakt:

E-Mail: tcm-service@tchibo.de
Telefon: 01805 – 38 33 38 (0,14 €/ Min. a.d. Festnetz; maximal 0,42 €/ Min. a.d. Mobilfunk)
Fax: 01805 – 38 33 39 (0,14 €/ Min. a.d. Festnetz; maximal 0,42 €/ Min. a.d. Mobilfunk)
Post: Tchibo Kundenservice, Postfach 60 30 20, 22240 Hamburg

Meinen Kaffe kaufe ich übrigens im Eine-Welt-Laden in Frankfurt. Sorte Tansania, auf Stufe 4 gemahlen.

Über die Weihnachtsplätzchen-Werbung hatte ich mich übrigens 2005 zum ersten Mal spontan beschwert:

Hallo,

Zitat aus Ihrem Newsletter:“wenn sich die Küche in die weihnachtliche Backstube verwandelt, kann keiner widerstehen. Denn Mutti zaubert die herrlichsten Plätzchen und Leckereien hervor. Da verwundert es nicht, dass der Rest der Familie jede Gelegenheit nutzt und schleckt, knuspert und heimlich nascht.(…) Mutti rollt den Teig mit der Silikon-Teigrolle aus und dann geht der Spaß erst richtig los.“

Das gefällt mir nicht.

1. Ist es noch nicht zu Ihnen vorgedrungen, dass das ‚Mutti‘-Image nicht mehr angesagt ist?

2. Warum Mutti und nicht Vati? Vielleicht, weil Vati – wie abgebildet – zu beschäftigt mit Plätzchen-Essen ist, während Mutti und ihr Töchterlein rollenkonform mit Backen beschäftigt sind? Note Sechs für diese Werbung. Gut, dass mein Mann und ich schon alles haben, was wir zum Backen brauchen!

Damals zeigte sich Tchibo noch einsichtiger:

Sehr geehrter Tchibo Kunde ,

vielen Dank für Ihre Mail.

Unsere Themen-Welt „ Lecker Advent “ hat zu einem Missverständnis geführt. Das bedauern wir sehr und wir möchten uns dafür bei Ihnen entschuldigen.

Für die in unserem Newsletter nicht angepasste Wortwahl möchten wir uns im Namen des Hauses Tchibo in aller Form entschuldigen. Selbstverständlich sehen wir Ihre Kritik als einen wertvollen Hinweis zur Optimierung unsere Präsentation und werden versuchen, für Verbesserung zu sorgen.

In der Hoffnung, Sie demnächst wieder als treue Tchibo-Kundin in einer unserer Verkaufsstellen, beim Versand oder im Internet willkommen zu heißen verbleiben wir

mit freundlichen Grüssen

Ihr Tchibo.de-Team

Wie würde die Weihnachtsplätzchen-Antwort wohl heute ausfallen? Im Jahr 2012 würden sie wahrscheinlich schreiben, dass sie in der Vergangenheit ähnliche Verkaufphasen erfolglos auch mit Männern beworben und ihre Werbung nun wieder an ihrer Zielgruppe, die vorwiegend aus Muttis … äh … Frauen besteht, ausgerichtet haben. Oder so.

UPDATE:

Sie haben es wieder getan.

Wehe, Du teilst das nicht oder die Diktatur der Kopiere-das-in-Deinen-Status-Meldung

Es gibt kaum eine zwischenmenschliche Interaktion, die mich zorniger macht als Nötigung in Verbindung mit der Erzeugung von Angst oder Schuldgefühlen – egal ob diese offen und massiv oder mit ach so subtilem moralischen Druck daherkommt.

Auf Facebook greift eine besonders infame Form der Nötigung immer mehr um sich: Die Teile-das- oder Kopiere-das-in-Deinen-Status-Meldung und deren mehr oder weniger dreiste Varianten. Dieses kaum verhohlene diktatorische Gehabe nervt mich inzwischen dermaßen, dass ich mich nur mit Mühe zurückhalten kann, um nicht einen verärgerten Kommentar zu hinterlassen. Die einzelnen Verbreiter denken sich oft nichts Böses und merken möglicherweise gar nicht, dass sie zur Verbreitung fragwürdiger Kettenbriefe beitragen.

Zu Beginn waren das meistens scheinbar harmlose Aufforderungen, die aber in Wirklichkeit unverblümt Druck ausüben mit Formulierungen à la „Kopiere das in Deinen Status, wenn auch Du gegen Kinderschänder bist.“ Aha – wenn ich das nicht kopiere, befürworte ich also Kinderschändung – für alle überprüfbar. Alles klar.

Eine Variante ist „Poste das denen, die Dir wichtig sind.“ Whamm – wenn ich also niemanden damit beglücke, zeige ich allen Menschen den Stinkefinger und signalisiere ihnen, insbesondere dem Urheber dieser Meldung (nichts zu danken!), dass sie mir sch…egal gleichgültig sind.

Vermutlich wegen des wachsenden Unmuts über die Befehlsform sind gaaanz raffinierte Kontrollfreaks inzwischen zu so scheinheiligen Formulierungen wie „viele werden das nicht in ihren Status kopieren, aber wenn auch Du gegen Tierquälerei bist, …“ übergegegangen. Beliebt ist auch, um einen Gefallen zu bitten – und dann soll man aus Respekt vor [hier an einer Krankheit leidende oder gestorbene Menschen/Kinder einsetzen] den Status kopieren. Auch hier hat die Person

(…)  ein gutes Gespür dafür, wer das tun wird

und hofft, dass sie recht behält „bezüglich der Menschen, die es tun“. Ach ja, und was darf nicht fehlen? Genau – siehe Kommentar unten. Heißt: Wer von mir gemocht werden will, hat zu gehorchen.

Ganz besonders heftigen Würgreiz starke antiperistaltische Bewegungen der oberen Verdauungswege löste bei mir ein Kettenbrief mit eingebauter Kontrollfunktion aus, der anderen auf ihre Pinnwand geknallt wurde, wie ein Molotov-Cocktail, der durch die Fensterscheibe fliegt.

Das hier bekam eine Freundin auf Facebook 1:1 auf ihre Pinnwand gepostet:

Ich bat einen Engel, letzte Nacht über dich zu wachen, aber er kam zurück.Ich fragte „Warum?“ . Der Engel sagte. „Engel wachen nicht über Engel!“ 20 Engel gibt es in deiner Welt. 10 davon schlafen, 9 spielen und 1 liest diese Nachricht.Bitte lies . es ist kein Scherz . Gott hat bemerkt, dass du mit etwas kämpfst.Gott sagt, dass es vorbei ist. Du erhältst einen Segen.Wenn du an Gott glaubst, sende diese Nachricht weiter, bitte ignoriere sie nicht, du wirst geprüft.Gott wird zwei – große – Dinge heute Nacht in deinem Sinne regeln.Wenn du an Gott glaubst, lass alles fallen und gebe es weiter. Morgen wird der beste Tag überhaupt.Sende dies an 10 Freunde (inklusive mir). Wenn ich es nicht zurückbekomme, nehme ich an, dass ich nicht dazugehöre.So bald du 5 Antworten bekommst, wird jemand, den du liebst, dich leise überraschen.

Oh oh – was jetzt? Ignorieren geht nicht – der Weiterverbreiter überwacht unerbittlich die Rückläufe, und wehe, Deiner fehlt! Löschen geht schon gar nicht – dies käme einer Entfreundung gleich. Naaaiiiin, so einen schleimtriefenden liiiieben Post, noch dazu was mit Engeln, löscht. Man. Doch. Nicht.

Nun wird also selbst der liebe Gott mitsamt zehn Engeln vor den Karren gespannt und über Facebook-Pinnwände getrieben, um andere Menschen zu drangsalieren (okay, im Falle vom lieben Gott soweit nichts Neues). Liebe Engel-Kettenbrief-Kontrollfreaks, seid gewiss, dass die Engel so etwas überhaupt nicht mögen! Im Gegenteil – ich gebe Euch Brief und Siegel, dass in dem Moment, in dem Ihr auf „posten“ klickt, alle zehn Engel aufschrecken, die Zügel abwerfen und fluchtartig davonflattern. Im Zickzackflug. Und nicht ohne Euch vorher mit genau der Missbilligung zu überschütten, die Ihr den Ungehorsamen so subtil in Aussicht stellt.

Was ist das für ein Freund, der anderen – möglicherweise emotional nicht allzu stabilen – Menschen die Pistole auf die Brust setzt mit einer unmissverständlich Message à la „Wenn Du nicht machst, was ich sage, weiß ich, woran ich mit Dir bin, Du herzloses Stück Scheiße, und werde die Konsequenzen ziehen“? Genau. Selbst für eine Nur-Facebook-Freundschaft ziemlich heftig – mal ganz abgesehen von der gruseligen Interpunktion.

Keine Ahnung, was die Ärmste letztendlich damit angefangen hat – zumindest hat sie „gefällt mir“ geklickt, vermutlich, um sich eine Galgenfrist zu verschaffen. (Update: das „gefällt mir“ ist wieder weg“. Tapferes Mädchen!)

Sollte mich  JE-MALS eine/r mit solchem Psycho-Müll bewerfen, werde ich diejenige sein, die die Konsequenzen zieht, bevor sie/er „Menno“ sagen kann. Versprochen.

Ach, und bevor jemand klugscheißt, dass man sich seine Freunde eben sorgfältiger aussuchen soll, klugscheiße ich schon mal im Voraus zurück: Die meisten Nur-Facebook-Freunde verstehen sich in der Regel als Mitglieder von Netzwerken. Nicht mehr und nicht weniger.

Verbale Entgleisungen oder meine Begegnung mit einem asozialen misogynen Macho-Würstchen

„Blöde Fotze! Bitch!“ klang es in der Straßenbahn hinter mir, und ich wusste: ich war gemeint.

Bis gestern dachte ich, dass es mich nicht wirklich treffen könnte, wenn mir ein Kerl so etwas an den Kopf wirft; dass ich darüber stehe, zumal wenn es aus dem Mund eines Unbekannten kommt, außerdem eher beiläufig und möglicherweise nicht für meine Ohren bestimmt, sondern eher als Ausdruck spontanen Unmuts. Aber eins nach dem anderen.

Ein amoralischer, anti- und asozialer strunzdummer misogyner Macho Kerl – etwa Anfang bis Mitte Zwanzig – fühlte sich gestern in der Straßenbahn von mir bzw. meinem Einkaufsroller behindert, als er beim Aussteigen hinter mich geriet und paar Sekunden stehen bleiben musste. Ich war schon halb draußen, da drangen oben zitierte Worte an mein Ohr.

Leider bin ich überhaupt nicht schlagfertig, außerdem lasse ich mich in der Öffentlichkeit nur ungern auf Auseinandersetzungen mit Fremden ein, und zu Wortwechseln mit amoralischen, antisozialen, asozialen, strunzdummen misogynen Machos solchen Kerlen lasse ich mich schon gar nicht herab. Ich blieb also einfach an der Haltestelle stehen und schaute mir den … Kerl an, der, ohne mich weiter zu beachten, zusammen mit einem anderen Typen gleichen Kalibers entspannt plaudernd ausstieg, auf die erhöhte Ebene der Konstabler Wache zuschlenderte und sich anschickte, dort abzuhängen und kriminell organisierten Drogen- und Menschenhandel zu betreiben. Mindestens.

Auch wenn mich die Beleidigung nach dem ersten Anflug von Ärger nicht wirklich in meiner Substanz getroffen hat, beobachte ich nun mit voyeuristischer Neugier, was diese halb gemurmelte Verbalfäkalie in mir auslöst. Erste Ergebnisse: 1. Mit den Jahren bin ich nicht unempfindlicher geworden, im Gegenteil. 2. Gewaltfantasien können hilfreich sein.

Eigentlich erfreue ich mich einer philanthropischen Grundhaltung, aber sorry, liebe Sozialpädagoginnen und -gogen, Integrationshelferinnen und -helfer und Benachteiligten-Knutscherinnen und -Knutscher, aber dieser strunzdumme misogyne Macho Kerl ist für mich … Überraschung: Abschaum. Und es ist mir egal, wie schlimm seine Kindheit war, wie oft sein Macho-Vater ihn geschlagen und wie heiß seine Schlampen-Mutter ihn gebadet hat.

Und es will wirklich was heißen, wenn ich mich zu diesem Wort versteige, das, vor allem, wenn es für ganze Gruppen verwendet wird, extrem menschenverachtend ist, und Menschenverachtung liegt mir fern – eigentlich. Wenn ich nicht gerade stinksauer bin.

In dieser Situation jedoch und auf dieses Individuum bezogen ist „Abschaum“ das Mindeste, was dieser strunzdumme misogyne Macho Kerl verdient. (Die meisten würden ihn mit jenem zwar durchaus zutreffenden, jedoch zu inflationär und undifferenziert verwendeten A-Wort bezeichnen.) Die einzige Menschengruppe, die ich verachte, sind Menschenverächter (jeglicher Art). Für ihn und seinesgleichen habe ich nichts anderes übrig als Verachtung, auch wenn mich das gewissermaßen in ihren Kreis mit einschließt.

Ich bin einigermaßen behütet aufgewachsen, und auch danach habe ich mich kaum in finsteren Dschungeln sozialer Abgründe bewegt. Wahrscheinlich habe ich deshalb auch keine Übung im Umgang mit solchen Situationen. Ähnliches ist mir nur ein weiteres Mal passiert, als vor ca. 10 Jahren ein … Kerl nicht abwarten konnte, bis ich aus der S-Bahn ausgestiegen war („Schlampe!“).

Blöde Fotze, Bitch, Schlampe – und das alles haben diese Männer mir noch nicht einmal ins Gesicht gesagt.

Wie finster muss es in so einem Menschenverächter aussehen, dass er Menschen selbst bei nichtigsten Anlässen so beschimpft? Wie tief muss z. B. sein Frauenhass sitzen, wenn selbst minimale Kollisionen so unflätige Reaktionen auslösen? Was „sieht“ er beim Anblick einer Frau? Ein minderwertiges Halbtier, eine Verschwendung von Raum, nicht wert, die selbe Luft zu atmen wie er? Ein Lebenserhaltungssystem für eine … ich werde das Wort nicht noch einmal schreiben.

Und wie kommt man so einem bei? Ignorieren? Kann ich nicht. Er hat mich verbal geohrfeigt und kommt damit einfach so durch, bis in alle Ewigkeit.

Mit gleicher Münze heimzahlen? Selbst wenn mir rechtzeitig eine Entgegnung einfiele, würde diese wahrscheinlich an seiner streitgegerbten Lederhaut abperlen. (Und wenn nicht, bekomme ich womöglich noch eins auf die Mütze.)

Bezeichnenderweise fällt mir überhaupt kein Äquivalent zu den vielen misogynen Beleidigungen ein, die unsere Sprache bietet. Selbst die Sprache enthüllt, wes Geistes Kind unsere Gesellschaft ist. Wie viele Generationen soll das noch so weitergehen?

Ich hätte da noch ein paar Ideen. Zum Beispiel könnte ich ihm im Vorbeigehen beiläufig mit einer Stecknadel irgendwo reinstechen und pfeifend so tun, als wäre ich es nicht gewesen. Allerdings müsste ich dafür schneller rennen können als er. Das selbe gilt für auf den Fuß oder in die Ei … zwischen die Beine treten, Bein stellen, Haare ziehen oder Schubsen. Außerdem könnte das den Anschein erwecken, ich – das Opfer – sei gewalttätig.

Eine Möglichkeit bleibt noch. Ich vergaß zu erwähnen, dass er mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit einen nordafrikanischen Migrationshintergrund hat und einen bildungsfernernen Eindruck machte. Aus dieser Kombination wage ich zu folgern, dass seine Eltern mit ziemlicher Sicherheit eher einfache, traditionell orientierte Menschen sind, denen der gute Ruf ihrer Familie sehr wichtig ist – Ehre und so. Und damit packe ich ihn!

Irgendwann wird er mir über den Weg laufen, wenn er gerade geschniegelt und gestriegelt zusammen mit seinen braven Eltern im Kreise seiner konservativen Verwandten zu einer Hochzeitsfeier geht. Und dann erzähle ich den stolzen Eltern laut und vernehmlich, was ihr Kronprinzchen außerhalb der Kontrolle seiner Community so treibt.

Ja, so mache ich es. Man sieht sich immer zweimal, mein kleines misogynes Macho-Würstchen Lieber!

Wir sind Lucy oder warum haben wir Spaß am Kochen?

Die Leidenschaft, die viele für die Speisenzubereitung aufbringen, ist nicht allein auf die Lust am Genuss zurückzuführen, sondern auch eine Kompensation oder Umwidmung der Energie für die nun weggefallene intensive Beschaffungsarbeit des Suchens, Findens, Sammelns, Erntens, Jagens, Fangens, Zerteilens, später noch des Verarbeitens, Säens und Pflanzens.

Das Beschaffen von Essbarem in all seiner verfügbaren Vielfalt war – abgesehen vom Verzehr – für unsere allerfrühesten Vorfahren die Hauptbeschäftigung mit ihrer Nahrung. Im wahrsten Sinne des Wortes ergab es sich aus der Natur der Sache, dass aus überlebenstechnischen Gründen so viele Produkte wie möglich der Umgebung entnommen werden mussten. Ohne einen bewussten Plan führte das zu einer vielseitigen Ernährung, auf deren Prinzip unser Verdauungssystem heute noch beruht.

Die Nutzung des Feuers ermöglichte die Erschließung weiterer Ressourcen, sprich Nutzbarmachung von roh Unverdaulichem, das zuvor nicht zur Verfügung stand. Man konnte mehr Unterschiedliches heranschaffen, was in Zeiten üppigen Nahrungsangebots dazu geführt haben mag, dass die Sammler, Jäger und Fallensteller und -innen 😉 nicht mehr so lange unterwegs sein mussten. Sei es aus Notwendigkeit heraus oder aus anderen Gründen, die Aufbereitung nahm einen Teil des zeitlichen Raums ein, der zuvor, als von der Hand in den Mund gelebt wurde, der Beschaffung allein gehörte.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Verarbeitung sozusagen als gefühlte Beschaffung ins kollektive Unbewusste Eingang gefunden hat. Anders kann ich mir die Zufriedenheit, die durch das Kochen ausgelöst wird, nicht erklären. Ich fände es hochspannend, wenn man einmal messen könnte, welche Hirnregionen und neuronalen Prozesse (in gerne kochenden Hirnen) beim Kochen aktiv sind, und es würde mich nicht wundern, wenn es zumindest teilweise dieselben wären, die beim Finden, Sammeln, Ernten und Jagen ein Freudenfeuerwerk veranstalten. (Allerdings müsste man sich ein wenig damit beeilen, die verbliebenen Sammler und Jäger zu verkabeln, so lange es noch welche gibt.)

Hinzu kämen noch die Freude an der Kreativität, die im kollektiven Unbewussten ebenfalls positiv besetzt sein dürfte, weil Neugier und Erfindungsreichtum uns – stammesgeschichtlich betrachtet – meist zu Erfolg und einem leichteren Leben verholfen haben, und sei es die Neugier auf das, was hinter dem Horizont ist. Vielleicht ein besseres Leben? Komm, wir finden einen Schatz! Oh wie schön ist Panama! Wir bauen ein Atomkraftwerk. (Oops …)

Diese Neugier und Kreativität, die Lust am Finden und Erfinden, Suchen und Sammeln, am Erschließen neuer Horizonte und Ressourcen ist das Erbe von Lucy und all der vielen, die unter Einsatz ihres Lebens die entwicklungsgeschichtliche, von tödlichen Misserfolgen und Fehlern begleitete Drecksarbeit für uns geleistet haben. Es sind die ach so primitiven Vor- und Frühmenschen, auf deren Schultern wir stehen. Die wir in uns tragen. Die wir sind.

Deswegen kochen wir gerne. Deswegen macht uns aber auch Shoppen, Herumstöbern, Sammeln von irgendwelchem Zeug, Reisen und Surfen im Internet so großen Spaß. Das ist Lucy, die das weite Land durchstreift und sich freut, wenn sie etwas Tolles findet, das ihr Leben schöner macht.

Klein ist groß

Die Japanerinnen sind im Finale und das ist auch gut so.

Von Anfang an fand ich es vermessen, die Fähigkeiten der japanischen Spielerinnen abzuwerten, weil sie kleiner sind als die anderen. So als wäre Körpergröße per se ein Kriterium für die körperliche Leistungsfähigkeit von Menschen, so als seien große Menschen den kleinen körperlich überlegen. Man wollte die Japanerinnen u. a. „müde spielen“. Wie das? Weil sie so kurze Beine haben? Spüre ich da etwa einen Hauch von Rassismus?

Wer dann wen müde gespielt hat, haben wir nun mehrfach gesehen. Beim Spiel gegen die Schwedinnen verspürte ich schon fast eine gewisse Genugtuung darüber. Die Japanerinnen strafen all jene Lügen, die Stärke und sportliche Leistungsfähigkeit partout auf Körpergröße und Muskelmasse zurückführen wollen.

Und noch etwas habe ich daraus gelernt, nämlich wie androzentristisch körperliche Leistungsfähigkeit definiert wird. Größere Körperlänge und mehr Muskelmasse führen demnach zur Aufwertung, alles Abweichende zur Abwertung.

Die männliche Deutungshoheit in der Sportberichterstattung und in der medialen Präsentation des Frauenfußballs bringt auch Franza’s Weblog mit Wir bilden Fußballerinnen ab, aber sie sind ja auch Frauen treffend auf den Punkt.

So, und jetzt drücke ich den Japanerinnen ganz fest die Daumen. Zeigt es den Großen!